Nach der Winterpause in der Schachbundesliga stand die Reise ins Weserstadion an – die Fußballprofis von Werder Bremen sorgten für eine Überraschung auf Schalke, somit konnte dort Schach vor deutlich weniger als 40.000 Zuschauern gespielt werden. Zunächst ging es aber gegen deren Reisepartner Mülheim, was zugegebenermaßen nicht allzu nah an Bremen liegt – aber im Norden ist Hamburg mit Norderstedt verbandelt, und ein weiteres Team ist nicht in Reichweite. (In der letzten Saison hatten wir es mit Trier ungünstig getroffen; nach deren Rückzug bekamen wir neu Solingen zugeteilt und Mülheim hatte damit seinen angestammten Partner verloren.) Der Kampf gegen die Ruhrpottler verlief ziemlich glatt und war katalanisch dominiert, dieses System wurde an mehreren Brettern ausprobiert. Während Donchenko als Schwarzer an 8 einen technischen Sieg gegen einen deutlich unterlegenen Gegner erringen konnte, ging Lucas van Foreest an 6 ebenfalls mit Schwarz klar baden. An 7 stand Ilja schon nach gefühlt 10 Zügen besser und eroberte schnell einen Bauern. Technisch war das nicht trivial, aber am Ende reichte es zum Sieg. Die interessanteste Partie spielte Parligras – sein Gegner schraubte mit dem Tausch des schwarzfeldrigen Läufers gegen einen Springer zwecks Bauerngewinn das Risiko hoch. Offenbar zu hoch, denn er ging nachher genau daran zu Grunde, dass das Läuferpaar des Weißen in Richtung seiner Königsstellung zielte. Neben diesen vier entschiedenen Partien gab es vier unentschiedene, von denen drei wenig spannend waren. Lediglich Friso Nijboer musste kämpfen, denn sein Gegner hatte in der Caro-Kann-Vorstoßvariante den Bb2 geraubt und den Mehrbauern bis ins Turmendspiel festgehalten, allerdings hatte Weiß immer Raum- und Strukturvorteil und damit etwas Kompensation – mir scheint, dass die Stellung immer zu halten war und der Mülheimer keinen Gewinn verpasst hat. Damit konnten wir ein klares und nie gefährdetes 5:3 quittieren. Im Parallelkampf kam es zwischen Solingen und Bremen zur Punkteteilung und damit zum ersten Punktverlust für die Klingenstädter. Das war bemerkenswert, aber keine Sensation, denn Bremen hatte recht stark aufgestellt, während Solingen mit einer guten, aber nicht der bestmöglichen Truppe antrat. Hamburg verlor trotz Elo-Vorteil knapp gegen Speyer und ließ damit Böses für Sonntag ahnen, obwohl Baden gegen den Tabellenletzten „schwächelte“ – statt des von den Buchmachern „erwarteten“ 8:0 gab es nur ein 7:1, zwei Weißspieler der Norderstedter konnten ein Remis erkämpfen. Dresden konnte nominell überlegenen Hockenheimern den Sprit aus dem Tank lassen (4,5:3,5-Sieg), aber so etwas kann mal passieren. (Entscheidend dürfte der Schwarzsieg von Maiwald in einer glänzend geführten Partie gegen den 2600er Banusz gewesen sein.) Die Sensation der Runde war aber der 4,5:3,5-Sieg von MSA Zugwang München gegen die 8 GM (mit Schnitt knapp unter 2600) von „Baden 2“, die allerdings hier Deizisau heißen – vorne vier Remis und hinten zwei Siege, ein Remis sowie eine Null gegen durchschnittlich 200 Punkte bessere Spieler, das ist kaum zu glauben!
Am Sonntag hatten wir es mit den ehrgeizigen Gastgebern zu tun, die – beflügelt durch den Teilerfolg am Vortag – alle Gastfreundschaft vermissen ließen (nur auf dem Brett versteht sich) und Lektionen erteilten. McShane gewann ein Endspiel mit ungleichen Läufern, indem er das Remismerkmal durch Qualitätsopfer aus der Stellung nahm (auch ein Läufer kann den König gegen Turmschachs von hinten sichern). Jorden van Foreest tauschte früh im Rossolimo-Sizilianer den weißfeldrigen Läufer gegen einen Springer – das nahm der Gegner zum Anlass, mit Bauern- und Qualitätsopfer die lange Diagonale Richtung h1 zu räumen und mit Lb7 und Dc6 im Verbund den König ins Visier zu nehmen, das schlug durch. (Man muss anerkennen, dass Dubov diese Partie hervorragend gespielt hat.) Fressinet schleppte einen Mehrbauern bis Springer und zwei Bauern gegen Läufer und Bauer. Parligras verpasste seine Remischance, verlor den letzten Bauern und die Partie. Iturrizaga kam schnell auf Abwege, weil er ohne schwarzfeldrigen Läufer spielte und der gegnerische La3 dauerhaft die Rochade verhinderte. Vielleich ist so etwas theoretisch zu verteidigen, aber in der praktischen Partie sind Fehler unvermeidbar; und so kam auch hier das Läuferpaar entscheidend zur Geltung. Friso brütete wie gewohnt lange, kam aber mit seinem Najdorf nie zum Ausgleich und vor dem 40.Zug unter die Räder. Lucas hatte die gleiche Eröffnung wie sein Bruder gewählt und stand bis zum 20.Zug gut, verpasste dann aber die richtige Fortsetzung und kam allmählich ins Hintertreffen, auch diese Partie endete vor Zug 40. Die Ausbeute aus den Brettern 1 bis 6 betrug somit genau 0. An 7 stand (so meint jedenfalls die engine) Ilja auch mal ziemlich gefährdet, kam dann aber in Vorteil und zu einem Mehrbauern, der aber kurz nach der Zeitkontrolle verloren ging (Lxg7). Nimmt man den nicht, ist die Stellung Remis, nimmt der König ihn, kommt De7+ und Dauerschach, also Punkteteilung. Schadensbegrenzung betrieb der „Juniorenspieler“ Donchenko an 8, der wie am Vortag einen klaren Sieg verzeichnen konnte. Eine 1,5:6,5-Schlappe ist trotzdem heftig und deutlich schlechter als erhofft (auch wenn mit einer Niederlage zumindest rechnen musste) aber es lief halt nicht viel zusammen. Solingen schickte Mülheim mit dem gleichen Ergebnis nach Hause. Die am Vortag noch gegen Berlin chancenlosen Hofheimer konnten den deutlich favorisierten Dresdern ein 4:4 abringen, Speyer besiegte Norderstedt und schraubt damit das Punktekonto schon auf 7 – ziemlich viel für eine Mannschaft, die ich unter den Absteigern erwartet hatte, wobei die Punkte vorzugsweise von anderen „Kellerkindern“ stammen. Die Münchner Teams schafften keine weitere Sensation und verloren fast im Gleichklang, auch die Niederlage von Berlin gegen Hockenheim war im Rahmen der Erwartung. Es blieb den bisher so unglücklich agierenden und in der Abstiegszone verkehrenden Hamburgern überlassen, die Sensation der Runde zu schaffen: Gegen die Badener mit fast 2.700 im Schnitt gelang ein 4:4 – Held des Tages war hier wohl Thies Heinemann, der einen Schwarzsieg gegen Ex-FIDE-WM Kasimdzhanov erringen konnte. Hier war vielleicht etwas Glück im Spiel, denn wie der Rechenknecht zu vermelden weiß, wäre an einer Stelle Lc3 statt Lg3 der Gewinnzug gewesen. (Unlogisch ist das nicht, Lc3 zielt Richtung Königsflügel, hätte man auch als Mensch finden können, vor allem, wenn schon ein Springer auf f5 steht.) Wie dem auch sei, damit hat auch die weiße Weste von Baden einen Fleck bekommen und der schöne Punkt Vorsprung auf Solingen ist weg. Ebenso weg ist unser schöner vierter Platz, wir sind mit 10:6 MP erst mal auf 7, wobei von 4 bis 7 alle Mannschaften punktgleich sind; das 1,5:6,5 hat leider unser Brettpunktekonto belastet. Die Mannschaften von 10 bis 15 kämpfen noch gegen den Abstieg, der 16. eigentlich nicht – 0:16 MP und ein „Torverhältnis“ von 14:50 (drei Siege, 22 Remis und 39 Niederlagen) sprechen eine klare Sprache.
Normalerweise käme hier noch ein kurzer Ausblick auf den nächsten Spieltag, doch das ist diesmal einen eigenen Artikel wert – folgt in Kürze!
Hier ein bildlicher Eindruch aus Bremen: